Die Sylter Royal hat in Austernkreisen einen ausgezeichneten Ruf. Keine Skandale, kultivierte Lebensform, bestens integriert. Im Gegensatz zu ihren wilden Verwandten. Sie machen, was sie wollen, sind umtriebig und geben sich sogar mit den Miesmuscheln ab.
Aufbruchstimmung auf dem Betriebsgelände von Dittmeyer’s Austern-Compagnie in List. Zwei Männer in Watstiefeln wuchten leere Kisten auf ein Boot. Es ist kurz vor Niedrigwasser, Arbeitsbeginn für die beiden Austernfischer Christoffer Bohlig und Ulf Schmidt, die sich bei Ebbe normalerweise um ihre kultivierten Schützlinge, besser bekannt unter ihrem Markennamen Sylter Royal, in der Blidselbucht kümmern. Heute aber gehen Christoffer und Ulf ihrer Sammelleidenschaft nach und fahren raus zu den wilden Austern. Ungefähr 40 Mal im Jahr schauen sie bei der buckligen Verwandtschaft ihrer Zuchtaustern vorbei, die abseits der Austernbänke ein wildes Leben führt. «Die Wilden sind unförmiger, grösser und schmecken auch etwas kräftiger», erklärt Ulf und startet den Trecker, der das Austernboot zum Hafen zieht.
Austern und Muscheln wie Sand am Meer
Zehn Minuten später gleitet die «Sofia» Richtung Ellenbogen und kommt vor einer dunklen Fläche zum Stehen. Austern und Muscheln wie Sand am Meer. «So, wir lassen uns nun langsam trockenfallen, packen unsere Kisten voll und lassen uns dann in ungefähr zwei Stunden vom auflaufenden Wasser mit der Strömung wieder raustragen.» Das, was sich wie ein spitzkantiger Teppich ausbreitet, sind die wilden Vertreter der ursprünglich aus Japan stammenden Pazifischen Felsenauster. Mit ihren unförmigen Auswüchsen und Beulen erinnern sie an eingeschlagene Meteoriten, nicht an eine Delikatesse, was sie aber zweifelsohne sind. Crassostrea gigas, so der wissenschaftliche Name der Auster, wurde 1986 von Dittmeyer’s Austern-Compagnie auf Sylt angesiedelt und wird seitdem in Deutschlands einziger Austernzucht kultiviert.
Ulf und Christoffer hocken sich mit je drei leeren Kisten auf den Austernberg und streifen sich ihre Arbeitshandschuhe über. «Die Schalen sind scharf wie Rasierklingen. Vorsicht.» Egal ob klein, gross, einzeln oder zusammengewachsen – alle eingesammelten Austern werden am nächsten Tag in Netzsäcke gepackt, in die Blidselbucht gebracht und auf den Austernbänken ausgelegt. Eine Veterinärsvorschrift, die gewährleistet, dass auch die wilden Austern regelmässig getestet und untersucht werden.
Nachhaltig und von Hand gesammelt
Mittlerweile macht das Geschäft mit den Wilden rund zehn Prozent vom Gesamtumsatz aus. Der überwiegende Teil, rund 90 Prozent, wird im betriebseigenen Restaurant verarbeitet. Der Laie mag sich fragen: Warum überhaupt noch Austern züchten, wenn sie sich wild vermehren? «Die wilden Austern schmecken gut. Aber die meisten Leute wollen eben doch die Sylter Royal. Und das ist auch gut so», sagt Ulf, der seit fünf Jahren zum Team der letzten Austernfischer Deutschlands gehört. Früher gab es in der Nordsee Austern und Fischer in rauen Mengen. Doch die heimische Auster ist seit den 1950er-Jahren ganz aus dem Wattenmeer vor Sylt verschwunden, da sie zu umfangreich und zu unachtsam gefischt wurde – und nicht wie heute nachhaltig und von Hand gesammelt.
Nach gut zwei Stunden sind alle Kisten gefüllt und auch die Rinne füllt sich wieder zusehends mit Wasser. Christoffer und Ulf ziehen die Kisten mit einer Eisenstange hoch ins Boot. «Bis zu vier Tonnen könnten wir theoretisch transportieren, dann hängen wir aber auch hinten schon ganz schön runter», erklärt Ulf und lässt den Motor an. Auch mit der heutigen Ausbeute von rund zweieinhalb Tonnen Austern geht der Sofia das Heck ordentlich auf Grundwasser. 17 Kisten à 300 Austern wiegen eben nicht nur für Feinschmecker ganz schön schwer.
Bistro Austernmeyer
Das Sammeln von wilden Austern untersteht dem Fischereigesetz. Nur Inhaber eines Fischereischeins dürfen wilde Austern aus dem Wattenmeer entnehmen, pro Tag bis zu einem 10-Liter-Eimer. Geniessen darf sie jeder. Zum Beispiel in der neuen Austernstube in List, auch bekannt als Bistro Austernmeyer. Dort gibt es die wilden Austern natur, als Tartar, gedünstet oder gratiniert mit Kräuterbutter.
Infos und Ferientipps zur Insel Sylt findest du hier.
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